14. Januar:
Am Morgen
Da sind Gedanken, die mich am Leben halten. Aber ich habe nichts, das mich den Moment aushalten lässt. Oft hatte ich Alpträume, das Erwachen und Bewusstwerden war eine Erleichterung. Jetzt träume ich auch, wache zufrieden auf, doch der Moment des Bewusstwerdens der Realität ist wie ein Stich ins Herz, macht es rasend, macht mich krampfend. Da sitzen mit dem Herzrasen, der Angst und der Trauer, sinnlos auf den Rechner starrend, mühsam Worte hervorholen. Und dann lässt es nach, das Herz ist nicht mehr spürbar, welch eine Wohltat, der Krampf löst sich, ruhig werden. Früher sagte ich, es geht mir gut, wenn es mir gutging. Jetzt geht es mir gut beim Nachlassen der Qual. Man wird bescheiden.
Um die Mittagszeit
Das Erkennen der eigenen inneren Schlechtigkeit. Bitter ist's, sich als Mensch zu sehen. "Ja Ha!" mag der eine oder andere spöttisch meinen "Zeit wird's!" Entlarven eines jahrzehntelangen Selbstbetruges. Maskenfall. Verschweigen, bzw. tendenziöses Unterlassen ist eine Form der Lüge, also bin ich eine Lügnerin. Es ist weder eine Entschuldigung noch eine Rechtfertigung, nur eine Feststellung, daß es aus Angst und Scham geschah. Ich bin eine feige Lügnerin. Es gab keinen Grund für Angst und Scham, ich hätte es wissen sollen, ich habe es nicht gewusst, ich bin eine dumme feige Lügnerin. Ich habe das Gefühl, in einen Abgrund gefallen zu sein und noch zu fallen. Wieder mal. Diesmal werde ich mich nicht mehr damit plagen, die Wände emporzukraxeln. Werde mich hier einrichten. Während ich dies schreibe, fühle ich nichts, keine Verzweiflung, keine Traurigkeit. Sitze in einem rund 100 Jahre altem Gebäude umgeben von dicken Mauern, vor mir eine schwere große Tür, es ist derzeit einer der wenigen Orte, an denen ich mich halbwegs wohlfühle. Es wird erst dann jemand kommen, wenn ich die Tür öffne. Doch mich kann ich nicht aussperren. Es bleibt die Frage, wie es nun weitergehen soll. Merkwürdig, die Schwierigkeit zu sein scheint mir gar nicht mehr so unüberwindbar. Der Gedanke des letzten Sommers - ich erdenke mich, dabei würde ich mich viel lieber erfinden - verliert an Bedeutung. "Einfach sein" wird zu einer möglichen Alternative. Da eh alles egal ist - warum nicht einfach sein können?
Am späten Nachmittag
Seit ich klein war, hab ich mir die Welt besser und schöner erträumt, hab mich und mein Leben besser und schöner erträumt. Bitter, wenn ein TraumTraum platzt. Unsagbar grauenhaft, wenn ein WahrTraum platzt. Ist der Traum des Träumens ausgeträumt? Was bleibt, ist der Abgrund, von dem ich heute mittag sprach, ich glaube, der Abgrund ist Realität. Alice ist im Tränensee nicht ertrunken, aber ich habe Angst, daß die älis in mir stirbt.