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Die Prinzessin auf der Flaumfeder zählt Silben statt Erbsen.


Lirum Larum Löffelstiel, wie siehts aus, ein kleines Spiel?
Ich würd nicht mehr warten. Hier, nimm die Karten,
Würfel sind daneben. Ach, welch ein unruhig' Leben ...

Lirum Larum Löffelstiel, wer nicht spielt versäumt recht viel
an Freude, auch Betrübnis. Doch komm, geh ein das Wagnis!
Lirum Larum Leier, dort fliegen sie, die Reiher ...

Gleich werden sich die Reiher mit den Harpyien treffen, um gemeinsam zu dem Ort zu fliegen, an dem die Undinen, Pegasusse und Einhörner wohnen. Der Ort, an dem der Bau von Wolkenkuckucksheimen eigenheimgefördert wird, ein jeder von Kindesbeinen an das Traumtanzen erlernt und die Luftschloßtürme öffentliche Einrichtungen sind, jederzeit von jedem nutzbar. Hier wissen alle, wie Jasmintee schmeckt. Und Wolkenwurz duftet. Und Drachentirilie klingt. Die Erde schenkt festen Boden unter den Füßen, lässt alle Beine sicher auf sich stehen. Das Wasser raunt und murmelt die Gute-Nacht-Geschichten. Der Wind schwingt die Wiegen der Schlafenden und pustet die Alpmahre fort. Das Feuer erleuchtet und wärmt. Anstatt zu töten. Hier herrscht kein Frieden. Hier ist Frieden.

Das Spiel gefällt Dir nicht? Du hältst es für Unfug?

Nirum Narum Nichts erkannt
Du hast verlorn und wirst verbannt
ins Lürik Larik Lummerland
ins Nonsens Nixen Nimmerland
ins Tika-Taka-Tuka-Land
ins KunterBunterWunderland
ins zauberhaft reale Traumland.

Glaubst Du wirklich, verloren zu haben?









Jetzt beginnt der Ernst des Lebens, haben sie irgendwann einmal zu ihr gesagt, in feierlichem Ton. Und mit gebührender Ernsthaftigkeit freute sie sich auf ein neues Leben. Das jedoch so neu gar nicht war, höchstens ein wenig anders. Und schon gar nicht besser. Ein neues Leben, ein bessres Leben, das will ich mir erdichten. Irgendwann einmal kamen sie dann an mit dem Spiel des Lebens. Es hat sie immer gelangweilt. Uninteressante Ereignisse, öde Regeln. Ich will mir hier in meinem Spiel neue Regeln errichten. Monopoly übrigens mochte sie auch nicht gern, außer, sie konnte die Bahnhöfe kaufen und die Straßen mit den schönsten Farben, die Badstraße, die Museumsstraße, die Hafenstraße. Ich möchte so gern glücklich sein, ich wünsch mir schöne Farben. Da hast Du Dich aber geschnitten, sagte er, ihr den Bahnhof vor der Nase wegschnappend. Da hast Du Dich aber geschnitten, sagte sie, mit ihrem Freund von dannen ziehend. Da hast Du Dich aber geschnitten, sagten viele, kein Auge zudrückend. Ihr habt ja so recht, ich sehe es ein, verstecke verschämt meine Narben.

"Heinrich, mein Herz zerbricht!"
"Oh nein, das Herz ist's nicht,
es ist ein Band von Deinem Herzen
das da liegt in großen Schmerzen."

Und das solln neue Regeln sein? Es ist das Gleiche in grün. Oh Weh, Oh Ach, Gejammer und Schrein - so braucht sie sich nicht bemühn. Fang an, Dir bessre Regeln zu finden, noch besser: Wirf sie übern Haufen! Es wird langsam Zeit daß Du aufhörst damit, ständig in die Irre zu laufen. Es kracht, wenn die Bänder reissen, tut weh, wenn das Herz plötzlich fliegt, doch das ist allemal besser, als wenns still darniederliegt.









Gedanken und Bilder an Pfingsten 2007, in Leipzig:





Plastikhaare, Plastikkleid,
Plastikglück, Plastikleid?







Kunstblut Straps und Militär
Glöckchen Stacheln und noch mehr ...

... Schwarz ...


Schweißerbrillen Beinpuschel
Arroganz Spaß und Gekuschel ...

... Schwarz ...


EBM Barock "Normal"
Dark Wave Punk - scheißegal ...

... Schwarz!


Kommerz Konsum "Kauf hier" Kauf dort!"
Es ist zum Kotzen ... Schnell hier fort ...

... Schwarz ...?


Masken Menschen und Musik
Freude Friede - Straßenkrieg ...

?Schwarz?



Liebe? Haß? Toleranz?
Laß uns gehn, zum Letzten Tanz ... :
Sonne macht albern und Regen macht naß
doch wirklich bedeutend ist es, daß
black uns not dark enough ist.

Schwarz!







Spieglein Spieglein an der Wand
wer ist die Schönste im ganzen Land?


Und sie sieht das Gesicht im Spiegel nicht mit ihren eigenen Augen,
die das Sehen längst verlernt, oder nie gelernt?, haben,
sie sieht das Gesicht mit den Augen der andren TausendSchönchen
und der Spiegel sagt:



Pinsle hier noch
kleistre dort
mach auch das Allerletzte fort
das aussieht wie Du bist!

Mach Dich gleich den andren Schönen
weil sie Dich sonst bestimmt verhöhnen.

Ach, ich glaub, ihr alle wisst
nicht, was Leben ist.


Spieglein Spieglein an der Wand
Wer ist der Coolste im ganzen Land;
oder zumindest hier in der Stadt?
Der die angesagtesten Klamotten hat!

Ich glaub, du Armer weisst,
nicht, was MenschSein heisst.







Ungestört zertrampelst Du stolzierend die wunderbare Rabenfeder auf der Straße, Dein STYLING im Schaufenster kontrollierend; das ENDGEILE Lied bahnt sich über den Knopf im Ohr in die Nähe Deines Herzens, das Lied von der Rabenfeder als Unterpfand eurer Liebe, während Du in den X-tra-COOLEN Laden eilst, um Dir dort schwarze Plastikfedern zu kaufen, die Dein OUTFIT komplettieren. sollen.

Schwarze Schmetterlinge allüberall, zeig den Schwarzen Schmetterling, er ist so supischön. Ein schwarzer Stern ums Auge, bei wem? Häh? Was soll das denn, was will denn der, wer ist denn das, Hubert was?

Unter andrem der Auftritt mit Hubert Kah gibt Anlaß zur Hoffnung, daß ASP sich vielleicht doch nicht zur Kommerz-Boygroup entwickelt.

(Wohlgemerkt: Ich mag ASP. Es finden sich musikalisch sowie lyrisch exzellente Stücke auf den Alben, beide Konzerte auf dem Festival waren gut, das Akustik-Konzert gar hervorragend und die ASP'ler sind äußerst freundliche Menschen, soweit ich das zu beurteilen in der Lage bin. Ich mag ASP, aber ich mag den Starkult nicht, insbesondere wenn er keinen Raum lässt für Neues; und alles, was "Anders" ist, bzw. anders scheint, z.B. karierte Anzüge, unbesehen ablehnt.)



"Es heißt Asp!, nicht AEsPe!, am Baum wächst ja schließlich auch ein Ast! und kein AEsTe!"










Wunderbares Wesen! Warte!

Warum, widerlicher Wicht, was willst?

Dich -

Nein! Niemals!

- kosen, kraulen, Königin, küßen!

Du Dummkopf! Du denkst, daß Du das darfst?

Ja, jetzt! Jadegleiche, Jasminduftende -

Schweig still! Sinnlose Schwafelei ...

Schönste Schimäre, so scheu?

Bin besonnen, Banause.

Liebchen, laß locken, löse los ...

Schwätzer! Salü ...

Bleib, bitte bleib!

Hinweg, hinfort, hurtig, hopp!

Zauberwesen zaudert, zögert ...

Zauberwesen ungezähmt.

Schätze dich glücklich ob deiner Dummheit, verloren wärest du mit dem Wissen von dem Unheil, welches du anrichten würdest, wenn man dich ließe, sprach das Einhorn und flog lachend dem Himmel entgegen. Er erwachte verschwitzt, sich sogleich an den eigentümlichen Traum erinnernd. Das Einhorn warf ihm einen letzten Handkuß zu. Der traf ihn und zugleich der Schlag.


Seltsame Sache. Scheiß Schlaflosigkeit.









Da sitzt jemand am Eingangstor und kommt sich etwas seltsam vor: ging er hindurch, dann ist er draußen, so betrachtet er von außen nur das große weite Tor, und weiß bald weder aus noch ein, möcht er denn lieber drinnen sein? Drinnen, draußen, draußen, drin, dazwischen nix, wo bleibt der Sinn? Vielleicht Dazwischen. Zwischen Menschen Zwischenwelten, Zwischenzustand jederzeit.









Paradoxe Wirklichkeiten treiben durch Ruinen eines Wunsches [des Gedankens], einst ein Traum, hie und da noch Flüstern, Wispern, Raunen: einst ein Schrei; Reste.









Müde bin ich, müde müde müde bin ich geh zur Ruh, schließe meine Äuglein zu, Vater laß die Augen Dein, - NEIN - Vater laß die - Vater, laß - Herrgott, laß das! NEIN bitte laß nie mehr wen in meinem Bettchen sein. Ich bin klein mein Herz war rein ich war klein mein Ich war rein, sollt niemand zerstören als ich nur allein Guten Abend, gut Nacht, mit Rosen bedacht, mit Dreck noch bedeckt, komm unter die Deck! Weißer Badeschaum - unzählbare kleine Seifenblasenglitzerperlen, schillern, blinkern, vergehen. Pulsierendes Gebirge, lebender Stein. Und am Tag, wenn der Damm bricht, wird weißer Badeschaum stumme Schreie ersticken. Erstickende Schreie in sich begraben.









Das kleine Mädchen lag erschöpft in der Wiese: Betrachtete Himmel und Wolken weit oben, roch das Gras neben und spürte die Erde unter sich, ein Insekt summte um ihr Gesicht, die Sonne war angenehm warm und ein kleiner Wind strich ihr um den Körper. Und es war ein Gefühl in ihrem Bauch, das wanderte in Arme und Beine, ein Gefühl, daß all das ihr gehöre und sie niemals sterben werde; das Gefühl breitete sich aus in ihren Kopf und das Mädchen begann zu denken, es dachte, daß das Leben eines Tages bestimmt schön werden wird.

Zurück von Draussen wieder Zuhaus, in der Wohnung bei der Mutter, die hat geschimpft wegen dem Dreck; ein Wurstbrot am Küchentisch, während der Fernseher läuft, aber keine Kinderstunde, die Mutter sagt, sie soll leise sein, damit die Leute im Fernsehen zu verstehen sind und der Bruder zieht ihr am Zopf, er weiss genau, daß sie das nicht leiden kann, das Wurstbrot ist eklig, sie muss es aber aufessen; auf der Straße toben die andren Kinder, sie sieht aus dem Fenster, Völkerball, ihr Lieblingsspiel, sie darf nicht mehr raus, weil sie sich sonst wieder dreckig macht.

Am Abend dann in´s Bett, sie geht gern in´s Bett, andre verstehen das nicht, aber die wissen auch nichts von dem Geheimnis. Bevor das Licht ausgemacht wird, bettet sie die Stofftiere neben sich, sie überlegt sehr gründlich, wer bei wem schlafen soll, manche der Tiere mögen sich nicht, andre haben so viele Freunde, daß sie reihum jede Nacht neben jemand andren liegen; es ist so wichtig, neben jemanden zu liegen, den man mag, ein jedes Tier soll sich wohlfühlen. Das Katzenbaby darf jede Nacht bei der Katzenmama schlafen, diese beiden wollen das so und dürfen das, weil das Baby ja noch so klein ist. Als die Mutter in´s Zimmer kommt, stellt das Mädchen sich schlafend, als das Licht gelöscht und die Tür geschlossen ist, nimmt es den Teddybären, kuschelt sich fest an ihn, schließt die Augen ... ... und schleicht aus dem Haus auf die Straße, hebt dort den Gullydeckel hoch, steigt hinab in die Tiefe ... Das kleine Mädchen kriecht wie jeden Abend unter die Bettdecke, ein Luftloch lässt sie sich, sie wird lange unter der Decke bleiben.

Wer wird heute alles da sein? Da ist Mowgli, er wartet bereits, lacht sie an und freut sich, endlich bist Du gekommen! Das Mädchen nimmt seine Hand und lässt sich durch die unterirdischen Gänge führen, zwar hat sie keine Angst, die Gänge, die Dunkelheit, all das ist ihr vertraut, doch es ist schön, das Gehen Hand-in-Hand. Shir Khan musste wieder eingesperrt werden, wenn sie nicht da ist, wird er machmal wütend und die andren haben Angst vor ihm, das Mädchen geht zum Käfig, schließt auf und krault den Tiger hinter den Ohren. Er verspricht ihr, morgen brav zu sein. Nun kommt auch Pippi, da hinten sind Tarzan und Peter mit Glöckchen, sie winken ihr zu, sie winkt zurück, freut sich, daß die andren sich freuen. Zusammen mit Alice setzt sie sich in eine Ecke, sie warten auf Toomai, das kleine Mädchen wartet mit ziehendem Herzen, wenn sie weiß, daß er bald kommt, hat sie immer Herzziehen, doch es ist ein schönes Herzziehen, nicht wie beim Traurigsein.

Sie ist so froh, ihre Freunde zu haben und sie jederzeit besuchen zu können, seit sie abends zu ihnen kann, machen die Skelette in ihrem Bett ihr keine Angst mehr und auch der Nachtgiger nicht.



Das junge Mädchen kuschelte sich wachträumend in den Schlaf. Sie träumte von dem Jungen, der ihr einst das Spielen auf der Gitarre beigebracht hatte, der nie ungeduldig mit ihr war, sie nie auslachte, wenn sie etwas nicht wusste, der sie verstand, wenn sie seltsam war. Seit sie von ihm träumt, ist das Leben weniger grau, ist die Traurigkeit nicht mehr so böse. Wie gern wäre sie seine Freundin.

Sie würden spazieren gehen und reden, Musik hören und schweigen, Kuscheln und reden und schweigen. über alles würden sie reden, über alles würden sie schweigen, er wäre nicht ungeduldig mit ihr, er würde sie nicht auslachen, er würde sie verstehen. Sie mit ihm, er mit ihr, füreinander miteinander und zusammen jeder für sich. ... ohne es zu wissen träumt das junge Mädchen von Liebe ohne Knechtschaft und von Freiheit ohne Furcht, das Wort Utopie ist ihr noch fremd ...

Morgen ist das große Fest, an dem sie ihn wieder treffen wird, sie wird ihr schönstes Kleid anziehen, vielleicht werden sie tanzen, oh, bestimmt werden sie tanzen, vielleicht wird er ihr sagen, daß er gern ihr Freund wäre.

Am Abend liegt sie im Bett, starr, sich nur nicht bewegen, damit das Bild in ihrem Kopf nicht lebendig wird, das Bild des blonden Mädchens, dessen Hand er den ganzen Abend nicht losgelassen hatte, diese Blonde, zu stark geschminkt, zu laut kichernd, zu übertrieben mit dem Hintern in der zu engen Jeans wackelnd; das Mädchen liegt starr im Bett und schämt sich, fühlt sich falsch und dumm, in ihrem Bauch dreht sich ein Mühlstein, in ihrem Gesicht brennt die Peinlichkeit.



Da liegt eine junge Frau im Bett, sie liegt auf dem Rücken und lässt ihre Gedanken schweifen, den Tag Revue passieren, vielleicht lässt sich ihm in der Rückschau etwas Glanz verleihen?; unausgeschlafen bringt sie frühmorgens ihr Kind zum Kindergarten; in der Arbeit tippt sie Briefe, Bücher möchte sie schreiben, stattdessen tippt sie Briefe fremder Menschen ab, deren Inhalt so uninteressant wie die Formulierungen schlecht sind, sie redet nicht viel, die Kolleginnen umso mehr; daß sie den Bus verpasst ist ebenso alltäglich wie das mürrische Gesicht der Erzieherin. Zuhause mit dem Kind ist es schön.

Legosteine auf dem Boden, ein Haus bauen, nebenbei abspülen; einen Garten anlegen, zwischendurch die Wäsche auf die Leine, Legomama, -papa, -kind suchen, das Kind trösten, nein, es gibt keinen Legohund, schnell das Essen vorbereiten, es gibt wirklich keinen Legohund, soll ich Dir was vorlesen?, Jorinde und Joringel, noch ein Lied: Wenn ich ein Vöglein wär ...; das Kind schläft ein, es ist ruhig. Halb neun am Abend und es ist ruhig. Jetzt könnte sie, sie möchte, würde so gern lesen, schreiben, Musik hören, es ist ruhig und sie könnte jetzt, wenn sie könnte, sie kann nicht mehr, liegt auf dem Boden und riecht das anbrennende Essen, ausgerechnet heute, heute sollte doch alles gelingen, es ist Donnerstag und Donnerstags kommt der Mann, der seit zwei Jahren jeden Donnerstag kommt und hin und wieder zwischendurch, ein netter Mann, der meistens freundlich ist und sie nie schlägt, er ist recht nett.

Die junge Frau liegt auf dem Rücken und lässt den Tag Revue passieren, findet nichts Glänzendes, ein Tag wie jeder, und als der Mann auf ihr und in ihr zuckend fertig wird und gleichzeitig das leise Weinen des Kindes zu vernehmen ist, wird laut, wieder sehr laut, was sie sonst meist still begleitet, Traurigkeit, unterschwellig summend schwillt an, das Summen wird zum Rauschen, zum Tosen, tosende Traurigkeit verbündet sich mit Ekel, mechanisch steht sie auf, um das das Kind zu beruhigen, während ihr es schier das Herz zu zerreissen scheint .

Eine Melodie im Kopf, eine oft gehörte, Ingrid Caven singt Enzensberger: "Doch ich hab mich nicht kleinkriegen lassen, ich hab euch gesagt, das könnt euch so passen mit mir nicht, nicht mit mir ..."

Das Kind schläft, der Mann schläft, sie starrt aus dem Fenster, findet keine Ruhe; Scheissleben, warum kann es mich nicht in Ruhe lassen, Leben, lass mich in Ruh und zupf nicht immer an mir herum, lass mich schlafen, ich möchte schlafen und nicht geweckt werden, Dornröschen schlief auch hundert Jahre, ich will nicht geküsst werden, Leben, spar Dir Deine Küsse, Du willst mich nur herlocken um mich dann wieder wegzustoßen, spar Dir Deine Verlockungen, aus süßen Düften wird Gestank, warme Sonnenstrahlen wandeln sich in Eisblitze, Leben, lass mich in Ruhe, will mich nicht kleinkriegen lassen.



Die Frau betrachtete den Garten mit den Augen eines Außenstehenden, streifte durch das jederman zugängliche Vorgärtchen. Was sah ein Fremder? Nichts Besonderes, und so ist es gut. Ein Stück Wiese (kein Rasen), viele Blumen, wild wachsend; Bäumchen, Sträucher, Büsche; Vögel, Schmetterlinge und andre Insekten. Ganz hübsch, der Vorgarten, doch nichts Besonderes, beinahe langweilig, er wirkte, wie er war: weitgehend sich selbst überlassen, nur ab und an griff jemand ordnend ein. Sie ging zu der Hecke, dicht, hoch, undurchdringlich, doch sie kennt das Tor und geht hindurch. Hinter der Hecke weites Gelände, grenzenlos, es reicht bis zum Horizont und ein Stück darüber hinaus. Ein Irrgarten. Ohne Nachzudenken geht die Frau sicher über unsichtbare Wege, ohne aufzublicken weiss sie, wo sie sich befindet. Geht vorbei am Unkrautgarten, wirft einen kurzen Blick zum Bach, Lauben hier, ein Brunnen dort, auf bemoosten Ruinen tummeln sich die Raben. Dazwischen Baumgruppen, verfallene Steingeschöpfe, tiefschwarze Teiche.

Die Frau läuft weiter, immer weiter, es wird kahl, vereinzelte Grasinseln, halb verdorrt, sind noch zu erkennen, doch kein Zweifel, sie gelangt in Brachland, hier will nichts gedeihen, kann nichts grünen, sie befindet sich in einer Wüste ohne Sonne, an Plätzen, derer sie sich schämt, so daß sie namenlos bleiben, hier regiert die Sehnsucht, nach Licht und Wasser, nach Benennung, Bekümmern.

Am Ziel ihrer Wanderung angelangt, unter grauem tiefhängendem Dunst stösst sie auf Dornengestrüpp, jahrzehntelang gewachsenenes, niemals beschnittenes dichtes Dornengestrüpp; die Hecke schien undurchdringlich, das Gestrüpp ist es, die Frau teilt es an der richtigen Stelle und blickt hinein. Erblickt das Chamäleonwesen, eingesperrt hinter Dornenholz seit Urzeiten. Gefangen und zugleich geschützt wird es eines Tages Freiheit erlangen und beide, Frau und Wesen, wissen, daß dies den Tod zur Folge hat.



Die Frau liegt auf dem Bett und betrachtet sich in Gedanken. Sie versucht, sich objektiv zu sehen, was sieht ein Fremder? Nichts Besonderes, und es ist gut so. Sie suchte und fand Wärme, die sie frösteln ließ, suchte und fand Zärtlichkeit, die weh tat, suchte Glück und fand sich in der Traurigkeit wieder. Da begann sie sich Fäden zu spinnen, Fäden aus Silberschiller, Rosenduft und kristallinen Zwitschern, flocht sich daraus ein Netz, watteweich, aus Geschichten und Schleiern, Liedern und Farben. Sie ist zufrieden.

Sie suchte nichts mehr und fand die Liebe. War es ein Scherz, den das Leben mit ihr trieb oder ein Versehen? Die Frau begegnete ihrem Engel. Engel zu lieben ist pures Glück, die Liebe zu einem Engel zu leben unmöglich. Einen Engel zu lieben ist Sein im Paradies, doch kein Paradies ist für die Ewigkeit gemacht. Sie wusste von Beginn an und ging doch mit ihm, miteinander Reden, miteinander Schweigen, gemeinsam baden in Zärtlichkeit, zusammen durch den siebten Himmel fliegen und den Harfenklägen lauschen, nichts war zuviel, nichts war zuwenig, der warme Blick ihres Engels machte ihr Herz lächelnd, sein Lächeln sie glücklich. Sie war glücklich. Und dann ging er, die geborgte Zeit ist abgelaufen, Verlängerung nicht möglich. Wer mit den Augen eines Engels angesehen, von einem Engel angelächelt und berührt wurde, der tut sich schwer, zu den Menschen zurückzukehren. Sie kehrt zurück zu den Schillernetzen und Träumen, allein, begleitet von ihrem Engel in der Erinnerung. Sie ist nicht immer traurig.



Das Chamäleonwesen wird eines Tages befreit werden. Vielleicht wird das Dornengestrüpp vor der Zeit zerstört, vielleicht reisst die Frau es eigenhändig nieder. Vielleicht wird das Gestrüpp zerfallen, wenn es soweit ist. Dann wird eine alte Frau im Bett liegen, vielleicht von Toomai erzählen und vom Fliegen träumen.









5.30 h, der Wecker schrillt. Blindes Tasten, Ruhe.
Aufquälen, so spät war es doch gestern gar nicht, in's Bad trapsen. Schnell fertigmachen und anziehen, der Bus fährt bald.

"Kind, willst Du Dir nicht doch mal bald ein Auto kaufen? Ewig diese Fahrerei, die Du hast!" Meine Mutter in der Küche.
Ich hasse Autofahren. Keiner begreift es. Ich fahre lieber mit den Öffentlichen. Das begreife ich selbst nicht.

Der Bus steht schon da. Rennen. Der Fahrer letzte Woche sah dem Sprint zu. Und fuhr ab, als der Bus erreicht war. Arschloch.
Der bestimmt auch. Einsteigen.

"Guten Morgen, junges Frollein! Na, verschlafen?"

"Hm...." Murmel. Auch ein Depp. In aller Früh Gelaber. Der Platz bei der Hintertür ist frei. Hinsetzen und Buch auf die Knie.
Oh Mist, die Kollegin hat heute frei. Und der Chef war gestern schon so übel drauf. Ob ich mir heute Bauchschmerzen gönne?
Was war in dem Traum heute nacht, das war von ... da war so ein ... es war sehr schön, daß ... Was? Überlegen. Ah, genau ...

"Ist hier noch frei?"
Ich nehme den Rucksack auch noch auf die Knie, das Buch oben drauf, auf welcher Seite habe ich gesten aufgehört? Als die Polizei gerade bei der Frau klingelte, da.
Der Traum war schön, irgendwas mit einem Mann. Kurz bevor der Wecker schellte. Wie immer, wenn's schön wird.

"Nächste Haltestelle Fürth Süd"

Bewegung im Bus. Aussteigen, einsteigen. Unauffällig rutsche ich auf die Innenseite und lege den Rucksack auf den Fensterplatz. Mittlerweile regnet es. Drausen ist alles grau.
Es geht weiter. Mir ist etwas übel.

Herr Meier unterhält sich mit Frau Irgendwie. Seine Frau ist vor einigen Wochen gestorben. Jetzt schmiert er sich seine Brote selbst.

"Das Leben muß weitergehen"

Was glotzt dieser Typ mich so an? Soll doch die anderen anglotzen. Da sitzt eine alte Frau und scheint zu schlafen.
Einige frühe Schüler kichern. Nervt.
Alle anderen sind still. Totenstill.
Schneuzen.
Der Typ schaut immer noch und grinst.
An welcher Stelle in meinem Buch war ich noch mal? Ach da ...

Um 14.00 h ist Besprechung mit einigen Kunden. Muss unbedingt noch Zucker kaufen. Später rufe ich Sabine an. In dem Traum waren auch Pferde.

Da steigen wieder viele Leute ein. Viele stehen. Soll ich rutschen? Es ist kein Behindertenplatz. Sollen sie doch fragen. Ich starre in mein Buch.

Ob Sabine heute abend mit weggeht? Heute kann ich nicht krankmachen. Warum fährt der Bus nicht weiter? Husten.
Die zwei Frauen hinter mir reden über Susi. Susi hat einen neuen Freund. Weil sie so eine gute Figur hat. Ob ich auch Süßstoff kaufen soll?

Die Frau macht nicht auf, sie hat die Polizisten durch den Vorhang gesehen.
Kind, was hältst Du davon, wenn ich Dir Vorhänge nähe? Ich mag keine Vorhänge. Warum begreift das keiner?

Sabine kann heute nicht weg. Elternversammlung im Kindergarten. Er wird nächste Woche 3. Wenn ich den Zucker hole, vielleicht habe ich Zeit, schnell ein Kinderbuch zu kaufen. Die Pferde standen ruhig auf der Koppel, das Bild habe ich fest in meinem Kopf. Aber das war es nicht, das Schöne ... Da war was anderes ...

"Auf Wiedersehen Herr Meier, bis morgen früh"
Sie redet erst seit der Beerdigung so viel mit ihm. Er schweigt meistens.

Der Typ steht immer noch da.
Da steht auch ein alter Mann. Ganz hinten ist noch Platz. Morgen setze ich mich hinten hin. Er ist bestimmt schon achtzig.
Ich nehme den Rucksack. Rutsche auf die Fensterseite. Es regnet stärker.

Susi sollte sich zusammenreissen. Sonst kriegt sie keinen Ehemann.

"Wer will ner so a Fliitscherl scho heiroodn?"

Leises Stöhnen neben mir. Der alte Mann riecht nach nassem altem Mann. Es regnet immer noch. Und es ist grau.

Ich werde heute abend zuhause bleiben. Vielleicht kommt ein guter Film im Fernsehen. Ich würde an ihrer Stelle auch nicht aufmachen. Wenn da Polizisten stehen. Nach der Arbeit könnte ich in die Bücherei. Vielleicht ist das Buch vom Schlink endlich zurück.

Eine fette blondierte Frau steigt aus. Nicht viel älter als ich. Die Klamotten sind das Letzte. Hinter mir ist endlich Ruhe.
Ich hätte gern einen langen schwarzen Rock. Mal im Schnäppchenmarkt schauen. Herr Doktor Eckert kommt auch zur Besprechung. Muss ich Tee kochen.
Der Traum war wirklich sehr schön. Wie die Pferde da standen. Was für ein Mann das wohl war? In der Bücherei gibt es bestimmt ein Traumdeutungsbuch. Gleich aufschreiben. Kramen im Rucksack. Kein Stift.
Ich könnte dem Kleinen auch Wachsmalkreiden kaufen. Oder Fingerfarben.

Der alte nasse Mann schneuzt sich ausführlich. In ein Stofftaschentuch. Kariert. Mir war vorher schon schlecht. Im Bus wird mir oft schlecht.

Der Typ sieht aus dem Fenster. Langweilig. Die Aussicht und der Typ. Wie alt er wohl ist? Trägt keinen Ring.

Kind, iß doch wenigstens ein kleines Stück Brot. Sonst wird Dir noch schlecht. Warum begreift keiner, daß mir schlecht wird, wenn ich morgens etwas esse? Ich esse am Morgen nie etwas.
Mein linkes Bein ist eingeschlafen. Passiert oft, wenn ich den Rucksack auf den Knien habe. Es ist besser, auf der Rückbank zu sitzen.

Die alte Frau steigt aus. Eine Frau mit KInderwagen versucht einzusteigen. Ich würde ein Tragetuch nehmen. Mit Kinderwagen ist man aufgeschmissen, sagt Sabine. Der Typ hebt den Wagen mit in den Bus und grinst die Frau an. Soll er doch. Sie lächelt zurück.

Die Polizisten überlegen, ob sie die Tür aufbrechen sollen. Trinkt Herr Doktor Eckert schwarzen oder grünen Tee? Ich bin gespannt, ob ich einen Rock finde. Fingerfarben werde ich kaufen. Das Gefühl in meinem Traum, es war wegen ...

"Bitte alle aussteigen, Endhaltestelle. Umsteigemöglichkeit zur U1 und U2"

Der alte Mann steht wacklig an der Tür. Die Frau kämpft mit dem Kinderwagen. Mir ist schlecht. Ich will raus und gehe zur Vordertür.

"Einen schönen Tag wünsche ich ihnen, junges Frollein!"

Ich lächle den Busfahrer an.

"Danke schön! Gleichfalls!"

Der Tag beginnt. Eigentlich war der Typ ganz süß. Ob er morgen wieder mitfährt?