Irgendwannn Mitte Januar:
Der Wahnsinn, von dem ich Anfang Januar sprach, ist das die Realität?
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Spätabends, ich steige aus dem Zug, verlasse den Bahnhof und laufe durch die Dunkelheit, Menschenleere um mich rum, da höre ich eine Stimme meinen Namen rufen. Dreh mich im, hört sich an wie meine Mutter, was will sie hier, ist was passiert, ah, da steht ihr Auto. Laufe auf´s Auto zu, stutze beim Erkennen des Kennzeichens, das ist es nicht. Höre wieder rufen, ah, da hinten steht sie, sie blinkt mit den Autolichtern, ich drehe mich um und laufe auf eine flackernde Straßenlaterne zu. Hier ist niemand außer mir.
Am nächsten Nachmittag laufe ich durch den Wind, er bläst mir um die Ohren, von ferne höre ich Verkehrslärm, da ruft eine Stimme meinen Namen, laut ruft sie, die Stimme ist lauter als die Straßengeräusche und kommt von weit her. Einige kenne ich, die hier öfter mit dem Rad entlangfahren, aber muss das jetzt sein, mag mit niemanden reden. Bleibe stehen und drehe mich um und und schaue, außer zwei älteren Türken, die in´s Gespräch vertieft achtlos an mir vorübergehen, ist hier niemand.
Am Abend die Haustür aufsperren, das Treppenhaus betreten, mit den Gedanken bereits oben in der Wohnung, höre ich eine Stimme meinen Namen flüstern. Die Stimme scheint aus dem Keller zu kommen, ich weiß jetzt schon, daß ich nicht schauen brauche, daß da niemand ist. Während ich müde hochgehe, flüstert sie nochmal, eindringlicher nun, ich geh in meine Wohnung und kümmere mich nicht darum.
Ich werde zu Dir gehen, wenn es an der Zeit ist.
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Ich erinnere mich an die Aussage einer der Therapeutinnen, die mich gut kannte: "Frau X., ich weiß nicht...... was ist mit Ihnen? Sie wissen doch so viel, sie können so viel - und dann machen Sie den Eindruck eines Wesens vom anderen Stern. Warum fangen Sie nicht einfach an? Leben Sie doch endlich"!
Ich sage jetzt: "Frau S., Sie haben keine Ahnung."
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Ruhe in mir, ungewohnt, seltsam, fremd. Es fällt mir schwer, diese Ruhe zu genießen, sie beunruhigt mich. Keine innere Regung, meine Seele scheint eingefroren. Mein Körper gehorcht nicht wie er soll, er schwindelt, die Beine tragen mich, aber stolpernd, die Hände halten, aber nicht alles, ich bin ungeschickt. Langsamer geht es besser, ich bin wie in Zeitlupe. Die Leute scheinen nichts zu merken, sie behandeln mich wie immer, keiner sieht mich verwundert an. Seltsam, ich würde mich wundern, wenn ich einem Zeitlupenmenschen begegnen würde. Diese Ruhe.... Weite Strecken des Tages fühle ich nichts. Nach dem Gefühlschaos eine Erholung. Aber beunruhigend. Ich will nicht so werden, wie ich nie werden wollte. Will nicht gefühllos sein, von innen nach außen sterbend. "Oho!" - die höhnische Stimme - "Wie oft schriest Du nach Gefühllosigkeit, fragtest nach Methoden, die Gefühle zu töten?" Ich verkrieche mich in mir vor mir selbst. Weiß nicht, was ich will.
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Und doch holte es mich ein, aus der Ruhe gerissen, Kampf im Buchladen gegen die Tränen, in dem Buchladen, der Zuflucht vor der wiederkehrenden Traurigkeit sein sollte. Und dann war's vorbei. Ein Tag ohne Tränen.
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Mit 15 schrieb ich in mein Tagebuch:
Vielleicht kann man so sagen:
Wirklichkeit + Träume = Herzweh (Idealismus)
Träume + Humor = Phantasie
also: A. = R1T4H3S3
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"Dieses seltsame, aber kluge Kind tat gern so, als bestünde es aus zwei Wesen. 'Aber hier hat es keinen Zweck' dachte die kleine Alice, 'sich etwas vorzumachen, denn von mir ist kaum so viel übriggeblieben, um auch nur e i n ansehnliches Wesen daraus zu bauen.'" (Lewis Caroll)