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Weihnachten 2004:

In der Mittelhalle des Hauptbahnhofes haben sie ein kleines Tischchen aufgestellt, darauf ein Schild "Hilfe für Asien" und eine Spendenbox. Kurze Unterhaltung mit dem aufpassenden Bahnerer (Ja, er glaubt, daß das hier gespendete Geld den Spenden der Bahnmitarbeiter zugerechnet wird, welche Herr Mehdorn dann verdoppeln will, es tut ihm leid, daß er es nicht sicher weiß, aber er ist hier halt auch nur abgestellt). Während des Gesprächs, höchstens drei Minuten lang, wurden von vier Menschen insgesamt sechzig Euro in die Box gesteckt. Noch ein bißchen zugucken aus der Ferne, es wurde unablässig Geld in die Box gesteckt. Viel Geld.

Zur gleichen Zeit versuchten im Untergeschoß des Hauptbahnhofes zwei Sanitäter, eine der Obdachlosen aufzuwecken.


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In der Buchhandlung ...:

Eine vielleicht Sechzehnjährige, very stylish, in der Bahnhofsbuchhandlung zu ihrer Freundin: "Achtzehn Euro für ein BUUUCH?!?! Also wenn ich ACHTZEHN Euro für EIN Buch ausgebe ... dann muss das mindestens - tausend! Seiten haben!"





Mann: "Schau, "Die glückliche Hausfrau", das ist doch was für dich!"

Frau winkt ab.

Mann, mit Buch fuchtelnd: "Warum denn nicht, schau!"

Frau, leise: "Wer sagt denn, daß ich glücklich bin."

Mann: "Ich!"

Frau blickt ihn an.

Mann, Buch beiseite legend: "Dann eben nicht."





Staunend dreht der junge Mann das Buch in der Hand. "Daß das hier erhältlich ist, ausgerechnet hier - und schau, da liegt auch ein Sloterdijk. Man kann das ja gar nicht kaufen. Stell dir vor, jemand fragt dich, wo du das her hast. Und dann musst du sagen: aus der Bahnhofsbücherei."

Aha. Sich mit arroganter Großspurigkeit vor seiner Begleiterin spreizen, einen Laden aufgrund seines Standortes im Hauptbahnhof anstelle des Angebots beurteilen - aber nicht in der Lage sein, zwischen Buchhandlung und Bücherei zu differenzieren ...


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Es ließ sich am Wochenende nicht vermeiden, über eine frische weite Schneedecke zu gehen. Schlimmes Gefühl. So zerstörerisch, dieses Tun.





Es ließ sich am Wochenende nicht vermeiden, mit einem Menschen zu reden, dem ein glitzernder dicker Rotzetropfen an der Nase hing. So anstrengend das Gespräch, das Bemühen, nicht andauernd auf diese Nase zu starren. Ekel und Erleichterung zugleich, als der Tropfen endlich herunterfiel.


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Feuertanz 03:

Da war mehr schwarz als bunt und wenig dazwischen; mehr jung als mittelalter, aber auch richtig alt; mehr Sonne als Wind und kein Regen; der Parkplatz für einen Euro und ein Wasser für zwei Euro und der Klobesuch für viel Geduld; ein bißchen Dope und viel Bier und wenig Besoffene.

Haut, rosa gebrannt. Trinkhörner, am Gürtel. Haare, in allen Variationen. Schottenrock und Leder und Samt und Spitze. Gelenk- und Eheringe.

Freundlich: Der Typ vor dir, mit dem du immer ein bißchen Platzrangeleien hast (er ist so groß und macht sich breit), schwingt mit einemal seinen Arm um dich, greift dich von hinten und schiebt dich nach vorne.

Rücksichtlos: Ein Typ hinter dir nervt alle Umstehenden in seiner grenzenlosen Begeisterung, indem er unentwegt mit den Armen in der Luft fuchtelt und wirklich jeden in Reichweite mit seinen Ellenbogen kontaktiert. Schmerzhaft. Er nervt nicht allzu lange, wir waren in der Überzahl :-)

Herzlos: Die Mutter, die ihre beiden vielleicht fünf und sieben Jahre alten Kinder ganz nach vorne ans Gatter [soll heißen: die Absperrung] neben die Boxen schiebt ("damit ihr was seht" - tun sie eh nicht mit der Größe), um weiter hinten auf freierer Fläche sich austoben zu können. Teufelsweib steht auf ihrem Shirt, ohne Hörschutz sind die Kinder. Die sich ständig die Ohren zuhalten, verängstigt wirken und irgendwann Hand in Hand den Ausweg suchen.

Zärtlich: Der Junge, Typ Fürst der Finsternis, der seiner Freundin unentwegt sachte den Rücken streichelt, es scheint ihr nicht gutzugehen, sie dann bei der Hand nimmt und sich vom Konzert trennt, um sie beiseite zu führen.

Cool: Die Security, die auf die hinter dem Gatter abgestellten Rucksäcke achten, den Besuchern ihre hinter dem Gatter gelagerten Getränke reichen (und diese dankbar schluckweise annehmen), den schottenberockten Menschen auch ein siebtes oder achtes Mal rausziehen, ihm altbekanntmäßig auf die Schultern klopfen und freundlich-geduldig den Ausgang aus der Sperrzone zeigen.

Schön: Der Himmel während des Sonnenuntergangs, gegenüber der Bühne.

Angst vor In Extremo. Der Feuershow wegen. Nur die Aussicht auf ein paar Bilder läßt mich vorne bleiben, und wenn die zwölf letzten verknipst sind, und das werden sie schnell sein, dann nix wie weg. Der Film ist voll und ich bleibe. Das Feuer kommt und ich staune. Es ist schön. Es ist warm. Die Wärme tut gut. Das Feuer geht. Es kommt und geht und ist jedesmal schön und warm. Ein Musiker blickt nach rechts oben und ich drehe mich um. Ein Feuerwerk über der Burg. Panik kurz im Rückgrad, aber das Feuerwerk ist ja stumm. Ein gespenstisch stilles Feuerwerk, ohne Krachen und Zischen. So mag auch ich Feuerwerke. [Natürlich habe ich begriffen, sogar einigermaßen schnell, daß der Feuerwerkslärm lediglich von der Musik übertönt wurde.]

Schön war das alles. In der mittlerweile so vertrauten Gemeinschaft, dem Vater meines Sohnes, deßen Gattin und dem Sohn, loszuziehen. Picknick auf der Wiese. Treffpunkt vereinbaren. Sich treiben lassen. In der Menge der klatschenden Hände die schwarzbehandschuhten erkennen: Da ist mein Kind und es geht ihm gut. Sich ab und zu begegnen, am Ende treffen. Nächtlicher Spaziergang. Im Auto dann erzählen.

[Nachtrag]
Ein Nachtrag für die Kinder. Die im Dorf einen Stand aufgebaut haben, auf der Hauptverkehrstraße, einem kleinen Gäßchen, von der Burg ins Dorf und somit zu den Parkplätzen. Ein Sparschwein stand auf dem Tischchen, dahinter ein handgemaltes Schild: Für die Spende. Für die Spende gab es dann Kirschen und Apfelstücke und Wasser und mehr. Auf meine Bitte, ein Photo machen zu dürfen, rollten sie stolz ein großes Transparent auf und platzierten es hinter dem Tisch. Den Text darauf hab ich in meiner Überwältigung nicht wahrgenommen. Von der anderen Seite kam ein Junge dazu, mit einer blauen Schüssel, darin viele Kirschen. Vier Stück für zwei Cent. Haben wir auch gekauft und Trinkgeld gegeben, die fliegenden Händler haben es schließlich schwer. Die Kinder waren zwischen ca. vier und sieben Jahre alt.



Die HPs:

Saltatio mortis
Schandmaul
Subway to Sally
In Extremo

Die fünfte Band hab ich nicht vergessen. Kann man aber vergessen. Ich verlinke im Allgemeinen nur, was mir gefällt.

Meine Bilder hierzu.

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